Elektrosmog in der Bahn

Die Bahn ist neben dem PKW das 2. Verkehrsmittel, wo Elektrosmog eine wichtige Rolle spielt. Es verwundert nicht, dass im Vergleich der wichtigsten Alltagsumgebungen, in denen wir uns häufig aufhalten, die Bahn an der Spitze steht. Hier kommen die 3 wichtigen Belastungsfaktoren, die dafür sorgen, dass wir außer Haus teils deutlich stärker belastet sind als zuhause, zusammen.

1) Wir finden hier viele Strahlungsquellen auf engem Raum vor, bedingt durch die Mobilgeräte der Fahrgäste.

2) Zudem haben wir es mit großen Karosserien aus Metall zu tun, die eine teilweise Rückreflexion sowie Mehrfachreflexion der Strahlung in das Wageninnere verursachen.

3) Es kommt aufgrund der Geschwindigkeit zu einem häufigen Wechsel der Mobilfunkzellen. Bei jedem Zellwechsel strahlt das Handy mit voller Leistung.

Illustration der Elektrosmog-Belastung in der Bahn am Beispiel eines Zuges im Regionalverkehr

Illustration der Elektrosmog-Belastung in der Bahn am Beispiel eines Zuges im Regionalverkehr:

1) Die HF-Belastung ergibt sich durch die über den Zug verteilten WLAN-Zugangspunkte sowie die mobilen Endgeräte der Zugpassagiere (Kommunikation über Mobilfunk bzw. WLAN).

2) Die NF-Belastung erfolgt über niederfrequente Magnetfelder, die durch den Bahnstrom (16 2/3 Hz) erzeugt werden. Dieser fließt durch den Fahrdraht (er steht unter Hochspannung bei 15KV) und gelangt über den Stromabnehmer ins Wageninnere. Dort wird er für den Antrieb, Heizung, Klimaanlage und Bordnetz (Beleuchtung, Türöffner, Steckdosen etc.) benötigt. Die gelben Linien im Bild sollen beispielhaft den Verlauf der Stromkabel an Bord darstellen. Die Stromkabel sind mit freiem Auge nicht sichtbar, da sie in Hohlräumen der Karosserie verlegt sind. Die Hochspannung des Fahrdrahtes muss für Antriebsmotoren und Bordnetz heruntertransformiert sowie in Drehstrom (Antriebsmotoren) und 3-Phasen-Wechselstrom „gerichtet“ werden. Die Transformatoren und Umrichter befinden sich unter Flur. Beim Tranformieren und Stromrichten entstehen als „Abfallprodukte“ auch Frequenzen im Mittel- bis Hochfrequenzbereich, die über das Bordnetz bzw. die Stromzuleitungen (Rückkopplung) abgestrahlt werden. Im Bild sehen Sie einen ÖBB-Cityjet/Regionalexpress am Wiener Hauptbahnhof.

Wenn wir die Hochfrequenz-Belastung in versch. Umgebungen des täglichen Lebens vergleichen, steht dort die Bahn mit einer 9-fach höheren Durchschnittsbelastung als zuhause ganz oben. Im Zug kommt aber noch eine wichtige, oft unterschätzte Belastung hinzu, nämlich der niederfrequente Bahnstrom. Sie sitzen währen einer Zugfahrt in relativ geringem Abstand zur 15kV-Hochspannungsleitung, die sich ca. 3,5m über Ihrem Kopf (bzw. 5,5m über dem Erdboden) befindet. Deren niederfrequentes Magnetfeld wird (im Gegensatz zur Hochfrequenzstrahlung) durch die Karosserie kaum geschirmt und kann sehr gut ins Zuginnere eindringen.

Viele Menschen haben diesen Faktor überhaupt nicht auf dem Radar, wahrscheinlich, weil man während einer Zugfahrt zwar viele Smartphone- oder Laptopbenutzer sehen kann, die vor allem HF-Belastung erzeugen, aber keine freie Sicht zum Hochspannungskabel, das in kurzem Abstand über dem Kopf entlangführt, oder zu den Antriebsmotoren hat. Nicht zu unterschätzen sind zudem die Kompressor-Motoren von Heizung und Klimaanlage. Letztere befinden sich meist über den Zug verteilt (häufig überkopf) und erzeugen auch starke niederfrequente Magnetfelder.

Die tatsächliche Höhe der Belastung kann, je nach Zugtyp und Lage des Sitzplatzes im Zug, sehr stark schwanken. So wurden, gemäß dieser Einflussfaktoren, in den am stärksten belasteten Zügen 100-fach höhere niederfrequente Magnetfelder gemessen als in den am geringsten belasteten.

Elektrosmog in einem lokbespannten Zug

1) Lokbespannte Züge: Sie bestehen aus einer Lok mit Elektromotor, die unmotorisierte Waggons zieht. Sie erzeugen im Vergleich zu Zügen mit verteiltem Antrieb meist deutlich niedrigere niederfrequente Magnetfelder, da die Motoren von den Fahrgästen (außer im Vorderteil des 1. Wagens) weit entfernt sind. Zu diesen Zügen gehören z.B. die alten ICE-Varianten 1 und 2 der DB, Intercity-Züge sowie die Railjet- und Nightjet-Züge der ÖBB.

Elektrosmog in einem Zug mit verteiltem Unterflurantrieb

2) Züge mit verteiltem Unterflurantrieb: Hier sind mehrere Antriebsmotoren über den ganzen Zug verteilt. Daher werden aufgrund des geringen mittleren Abstandes der Motoren zu den Passagieren höhere Felder an den Sitzplätzen erzeugt. Dies ist z.B. der Grund dafür, dass die NF-Belastung bei den ICE-Varianten 3, T und 4, die auf Unterflur-Antrieb basieren, signifikant höher als bei den lokbasierten älteren ICEs der Generationen 1 und 2 ist.

Zu den Feldern tragen unabhängig vom Zugtyp nicht nur die Motoren, sondern auch die Hochspannungs-Zuleitungen im Zuginneren bei. Diese können sowohl unterflur als auch überkopf in den Wandprofilen der Züge verlegt sein. In einem lokbespannten Zug gilt der Zusammenhang, dass die Felder vom Fußboden nach oben hin zunehmen, weil der Abstand zur überkopf laufenden Hochspannungsleitung immer mehr nach oben hin abnimmt. Bei Zügen mit verteiltem Unterflurantrieb ist jedoch wegen der Nähe zu den Motoren eine besonders hohe Belastung in Bodennähe zu finden. Es wird daher empfohlen, Kinder nicht am Fußboden von ICE 3 und 4 spielen zu lassen.

Zellwechsel beim Mobilfunk, hier am Beispiel eines Handys eines Zugpassagiers Belastungsfaktor Nr. 3: Häufige Mobilfunk-Zellwechsel, hier erklärt am Beispiel des Handys eines Zugpassagiers. Der Zug fährt von links nach rechts. Zuerst ist das Handy mit Mast A verbunden, weil dessen Signal stärker als das von Mast B ist. Das Handy wertet die Verbindungsqualität zu den beiden Masten kontinuierlich aus. Irgendwann fällt die Verbindungsqualität zu Mast A unter die zu Mast B. Das Handy entscheidet, dass es besser ist, mit Mast B als mit Mast A verbunden zu sein. Es trennt die Verbindung zu A und verwendet fortan Mast B für die aktive Verbindung. Beim Übergang sendet das Handy mit maximaler Leistung.

Natürlich sind Zellwechsel nicht nur in der Bahn, sondern auch im PKW äußerst relevant. Wir besprechen das Thema Zellwechsel deswegen auch in unserem Artikel zum Thema „Elektrosmog im PKW“. Dort zitieren wir eine Studie, wo bei einer Autobahnfahrt alle 30 Sekunden ein Mobiltelefon aufgrund eines Zellwechsels mit maximaler Strahlungsleistung gefunkt hat, und das, obwohl es gar nicht aktiv benutzt wurde.

Genauso wie beim PKW gilt auch bei der Bahn: Je schneller der Zug unterwegs und je dichter das durchquerte Gebiet ist, desto mehr Zellwechsel gibt es pro Zeiteinheit. Im langsamen Nahverkehrszug im ländlichen Raum kommt es also im Schnitt zu weniger Zellwechseln als im schnellen ICE im urbanen oder semiurbanen Gebiet, da pro Zeiteinheit zwischen weniger Mobilfunkzellen gewechselt werden muss.

Elektrosmog am Bahnhof

Bahnhöfe gehören zu den am belastetsten öffentlichen Orten überhaupt, weil sich dort, besonders zu Stoßzeiten, so viele Menschen auf engstem Raum aufhalten. Diese erzeugen nicht nur selbst durch Ihre Endgeräte Strahlung, sondern müssen auch dementsprechend mit Sendeantennen gut versorgt werden. Siehe [4] für eine Untersuchung der Strahlenbelastung am Stockholmer Hauptbahnhof.

Für Passagiere, die sich nur kurz auf der Durchreise dort aufhalten, ist dies nicht so problematisch. Anders sieht es für Menschen aus, die am Bahnhof arbeiten. Da Bahnhöfe zunehmend auch zu Einkaufszwecken wirtschaftlich verwertet werden, betrifft das Problem nicht nur die Bahnmitarbeiter, sondern auch Mitarbeiter in Gastronomie und Handel, die am Bahnhof den ganzen Arbeitstag verbringen.

WLAN-Router im Wartebereich und auf den Bahnsteigen am Wiener Hauptbahnhof

WLAN-Router am Wiener Hauptbahnof: Im Bild sind ein WLAN-Router für den Außenbereich (jeweils installiert auf den Bahnsteigen) sowie ein WLAN-Router für den Innenbereich zu sehen. Im Innenbereich sind mehrere Router auf verschiedenen Etagen installiert, um das Gebäude gut abzudecken.

WLAN und Mobilfunk-Kleinzellen im Zug

In den letzten Jahren wurde das Angebot an WLAN im Zug kontinuierlich ausgebaut, zuerst im Fernverkehr, danach auch im Nahverkehr. Obwohl diese Entwicklung von vielen Elektrosensiblen kritisch gesehen wird, bietet sie das Potential, zum Erstaunen vieler, die Hochfrequenz-Belastung im Zug zu senken. Allerdings funktioniert das nur dann, wenn die Reisenden auch in großer Mehrheit das WLAN-Netz anstatt des Mobilfunknetzes nutzen. In Ländern wie Österreich, wo im Vergleich zu Deutschland sehr große Datenvolumina zu deutlich niedrigeren Preisen in den Mobilfunkverträgen inkludiert sind, macht das aber kaum jemand, weil er ohnehin bestens versorgt ist. Zudem ist es vielen Firmenangestellten aus Sicherheitsgründen verboten, öffentliche WLANs zu benutzen.

Noch besser sieht die Situation bei Einrichtung von Mobilfunk-Kleinzellen im Zug aus. Der Mobilfunknutzer bekommt hier gar nicht mit, dass er in einer Kleinzelle eingeloggt ist. Diese Zellen können die Gesamtbelastung im Zug sehr stark senken. Der Grund ist einerseits, dass die Endgeräte mit deutlich niedrigerer Strahlungsleistung funken müssen, da sie exzellente Verbindung zur Kleinzellen-Antenne haben. Wenn sich die Geräte hingegen alle mit Mobilfunkmasten außerhalb des Zuges verbinden würden, strahlten sie aufgrund der viel schlechteren Empfangsbedingungen deutlich stärker. Andererseits kommt es bei Kleinzellen zu keinen Zellwechseln für die Endgeräte, da die Geräte immer in derselben Mobilfunkzelle (eben der Kleinzelle) angemeldet sind. Mehr zum Thema finden Sie in der Studie in [3].

Literatur:

[1] Joseph, W., et al. Comparison of personal radio frequency electromagnetic field exposure in different urban areas across Europe. Environmental Res 110(7): 658–63.

[2] Ihme, J. (2019). Schienenfahrzeugtechnik. Berlin, Germany: Springer-Verlag.

[3] S. Aerts, et. al. (2015). Impact of a Small Cell on the RF-EMF Exposure in a Train. International Journal of Environmental Research and Public Health, 12(3), 2639-2652.

[4] Hardell, L., et al. (2016). Radiofrequency radiation at Stockholm Central Railway Station in Sweden and some medical aspects on public exposure to RF fields. International Journal of Oncology, 49, 1315-1324.

[5] Martin Röösli, et al. Leukaemia, brain tumours and exposure to extremely low frequency magnetic fields: cohort study of Swiss railway employees. Occupational and Environmental Medicine, May 24, 2007.

[6] Biehounek, A., Hegger, A., Marks-Fährmann, U., & Restetzki, K. (2020). Grundwissen Bahn. Europa Lehrmittel.

„Elektrosmog in der Bahn“ als pdf-Datei:

Vergleich Hochfrequenz-Belastung in Wohnung mit Belastung in der Bahn

Hochfrequenz-Belastung einer Wohnung im urbanen Gebiet verglichen mit der Belastung in einem PKW und in der Bahn: Die Belastung in der Bahn ist im Schnitt ca. 9 x höher als in der Wohnung sowie fast doppelt so hoch wie im PKW. Die Gründe dafür lesen Sie in diesem Artikel. Die Zahlen für die Belastungen ergeben sich aus der meistzitierten Studie zu diesem Thema, in der hunderttausende Messungen in verschiedenen Umgebungen des Alltags in Europa durchgeführt wurden. Siehe [1].

Rush Hour im Bahnhof London King's Cross

Belastungsfaktor Nr. 1: Viele Strahlenquellen auf engem Raum. Diese sind nicht nur im Zug, sondern besonders auch am Bahnhof relevant. Oben sehen Sie ein Bild vom Bahnhof London King’s Cross zur Rush Hour. Es gibt kaum eine andere Umgebung im Alltag, außer bei Großveranstaltungen, wo wir von so vielen Menschen auf engstem Raum umgeben sind, von denen praktisch jeder ein Smartphone mit dabei hat.

Reflexion und Mehrfachreflexion der Mobilfunkstrahlung an den metallischen Wänden eines Zuges

Belastungsfaktor Nr. 2: Reflexion und Mehrfachreflexion der Strahlung zurück in das Wageninnere. Stahl und Aluminium sind die beiden wichtigsten Materialien für den Bau von Eisenbahnwagen. Die metallischen Bleche umhüllen die Passagiere mit Ausnahme von Fenstern und Türen. Aufgrund der guten Reflexionseigenschaften von Metall für Hochfrequenzstrahlung wird diese mehrfach in das Wageninnere zurückreflektiert, ein Effekt, den Sie aus dem Spiegelkabinett kennen. Das obige Bild zeigt beispielhaft einige Strahlenwege, die sich durch Verwendung von funkbasierten Geräten im Zug ergeben.

Kinder spielen im Zug

Kinder im Zug: Aufgrund der hohen niederfrequenten Belastung wird empfohlen, Kinder nicht am Boden von ICE 3 und 4 spielen zu lassen. Warum gerade diese Zugtypen betroffen sind, lesen Sie im Haupttext (Thema lokbespannte Züge vs. Züge mit verteiltem Unterflurantrieb).

Lokführer im Führerstand

Lokführer haben nach einer Schweizer Studie ein 3-fach erhöhtes Alzheimer-Risiko gegenüber der Durchschnittsbevölkerung, siehe [5]. Verantwortlich dafür macht man die hohe niederfrequente Belastung durch Bahnstrom und elektrische Motoren, denen Lokführer ausgesetzt sind. Niederfrequente Felder stehen schon lange im Verdacht, neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer zu fördern.

Elektrische Heizung in einem Zug

Heizung und Klimaanlage sind neben den Antriebsmotoren 2 weitere wichtige Feldverursacher im Zug. Im Bild ist das elektrische Heizmodul eines lokbespannten Zuges im Nahverkehr zu sehen. In diesem Fall hängt die Heizung an der Unterseite des Wagens in Zugmitte. Bei neueren Nahverkehrszügen, die meist auf Unterflurantrieb basieren, sind die Heizmodule nur selten von außen erkennbar.

Zug im Nahverkehr mit WLAN an Bord

WLAN im Zug kann unter der Voraussetzung, dass es von der überwiegenden Mehrheit der Gäste anstatt ihres Mobilfunk-Datenzugangs verwendet wird, die Belastung an Bord senken. Sehr stark kann die Belastung durch eine sog. Mobilfunk-Kleinzelle an Bord gesenkt werden, da die Endgeräte dadurch sehr gute Empfangsbedingungen vorfinden und mit deutlich reduzierter Strahlungsleistung kommunizieren können, siehe dazu die Studie in [3].